4.11.2021
Die Stimme
Tumore im Kopf-Hals-Bereich können die Stimme, das Sprechen oder das Schlucken beeinträchtigen. Die Logopädin Catherine Comte hilft Patientinnen und Patienten, wieder in einen Alltag zurückzufinden – in einen anderen Alltag.
Ihre Stimme ist es, die mir sogleich auffällt. Sie vermittelt ein Gefühl von Wärme und Klarheit. Man merkt, dass die Stimme Catherine Comtes Werkzeug ist. Sie arbeitet als Logopädin in der Abteilung für Phoniatrie in der HNO-Klinik (siehe Box unten). Wir treffen uns in einem Behandlungszimmer – Buntstifte, Zeichnungen, Bücher und Kinderstühle zeugen davon, dass auch Kinder hierherkommen.
Breites Angebot der Behandlungen
Die Phoniatrie ist ein Team, das auf Störungen der Stimme, der Sprache, des Sprechens und des Schluckens spezialisiert ist. Das Angebot ist breit. Es reicht von der Abklärung von Kindern im Vorschulalter über die Stimmprobleme bei Sängerinnen und Sängern bis hin zur Untersuchung, Beratung und Therapie von Erwachsenen mit Schluckstörungen.
Catherine Comte ist unter den sechs Logopädinnen die Ansprechperson für Stimm-, Sprech- und Schluckstörungen von Patientinnen und Patienten mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich. Krebs ist häufig. Fast täglich hat sie mit Betroffenen zu tun.
Information vor einer Tumoroperation
Vor grösseren, komplexen Operationen im Kopf-Hals-Bereich, wenn ganze Organe oder Teile davon entfernt werden, kommen die Betroffenen ins Inselspital zu einem ambulanten Vorabklärungstag. Sie erhalten dann der Reihe nach von allen Berufsgruppen, die sie behandeln und betreuen werden, eine Information über den Eingriff und seine Folgen. «Das ist für sie zwar ein langer, anstrengender, jedoch wertvoller Tag», sagt Catherine Comte.
Zunächst erläutern Ärzte und Ärztinnen, welche Operation sie vorsehen, wie sie vorgehen und wie lange es dauert. Danach folgen nacheinander Gespräche mit einer Fachperson der Pflege, des Sozialdienstes, der Psychoonkologie und der Logopädie. «Wir motivieren die Betroffenen, eine Begleitperson mitzunehmen», sagt Catherine Comte, denn es sei viel Information auf einmal.
«Sie sind in einer schwierigen Phase ihres Lebens, es bricht gerade viel auf sie ein.»
Einen Weg zeigen
Catherine Comte legt im Gespräch mit Tumorpatientinnen und -patienten offen, was sie zu erwarten haben. «Sie sind in einer schwierigen Phase ihres Lebens, es bricht gerade viel auf sie ein.» So erfahren sie etwa, wie sie nach der Operation sprechen können, wie ihre Stimme klingen wird, ob sie schlucken und welche Nahrung sie zu sich nehmen können oder ob sie diese umstellen müssen.
«Mir ist dabei wichtig, sie gleichzeitig über das Angebot der postoperativen Therapie mit konkreten Inhalten zu informieren.» Sie will ihnen einen Weg zeigen. Während des ambulanten Vorabklärungstages reift bei den Betroffenen die Erkenntnis, dass es eine Veränderung in ihrem Leben geben wird und dass es nie mehr so sein wird wie bisher. Viele müssen diesen Gedanken erst zu fassen kriegen.
Nach der Operation
Nach der Operation eines Tumors im Kopf-Hals-Bereich erhalten manche Patientinnen und Patienten Therapiesitzungen bei der Logopädie. Die Palette der Therapien ist gross, da jede Situation, jede Patientin und jeder Patient anders ist.
Da gäbe es zum Beispiel Zungenbeweglichkeitsübungen. Oder eine Schlucktherapie, damit nichts im Hals stecken bleibt. Es gibt Übungen für die Kopfhaltung oder wie man einen Bissen von einer Ecke des Mundes in die andere bringt. «Operierte fragen mich, wie ihre Stimme am Telefon klingt, ob sie verständlich genug ist. Auch dies gehört zu den Therapieinhalten», sagt Catherine Comte.
Die persönlichen Begegnungen mit Patientinnen und Patienten bedeuten ihr viel. «Niemand kommt ja freiwillig zu mir», sagt sie, «sie bringen mir Vertrauen entgegen.» Sie möchte ihnen helfen, mit der Krise in ihrem Leben konstruktiv umzugehen. Schliesslich sollen sie alle in einen Alltag zurückfinden – in einen neuen Alltag.
Zur Person
Catherine Comte ist in ihren ersten Lebensjahren in der Romandie aufgewachsen. Sie arbeitet seit elf Jahren beim Inselspital, in der Abteilung Phoniatrie der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten (HNO), Kopf- und Halschirurgie, wo sie am Ende ihres Studiums ein Abschlusspraktikum absolvierte. In ihrer Freizeit betreibt sie Yoga und hat als Sängerin Bühnenprojekte wie die Begleitung von Theaterproduktionen. Catherine Comte wohnt in Wabern bei Bern.
(Text: Peter Rüegg)
«Vorbereitungstag verbessert Operationsergebnis»
Einem Forschungsteam des Inselspitals, Universitätsspital Bern und der Universität Bern ist der Nachweis gelungen, dass ein berufsübergreifender Vorbereitungstag für komplexe Tumoroperationen im Kopf- und Halsbereich positive Auswirkungen auf das Operationsergebnis hat: Medienmitteilung, 21. Januar 2022
Phoniatrie
Die Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie (HNO-Klinik) setzt sich aus mehreren, hochspezialisierten Einheiten zusammen. Unter ihren Spezialgebieten sind die Phoniatrie und das Kopf-Hals-Tumorzentrum.
University Cancer Center Inselspital (UCI)
UCI – Das Tumorzentrum Bern ist ein führendes Schweizer Zentrum für die Diagnose und Behandlung von Krebs. Patientinnen und Patienten mit einer Krebserkrankung finden am Tumorzentrum Bern ein breites Angebot von individuell zugeschnittenen Therapieansätzen. In zwölf Organzentren werden sie von hochspezialisierten Teams betreut.