5. September 2023

«Ich bringe Sie sicher ans Ziel»

Das Inselspital verfügt über ein Team von Patiententransporteuren. Mark Muff begleitet Patientinnen und Patienten, die nicht mehr gehen können oder schlecht zu Fuss sind. Er fährt sie im Rollstuhl, im Bett oder auf Liegewagen dorthin, wo sie untersucht, behandelt, gepflegt oder operiert werden. Die Gespräche während der Fahrt gehen ihm manchmal unter die Haut.

08:00 Uhr.

Herzklopfen! Die Patientin liegt in ihrem Spitalbett und schaut nervös zur Tür. Heute ist Operationstermin. Sie fühlt sich angespannt – obwohl der Verstand ihr sagt: Keine Sorge, es ist ein Routineeingriff, dir wird nichts passieren.

Dann kommt der Patiententransporteur ins Zimmer: «Guten Tag, mein Name ist Mark Muff. Ich fahre Sie zur Vorbereitung ihrer Operation. Sind Sie bereit?» Sie nickt. Sanft rollt er ihr Bett aus dem Zimmer zum nächsten Lift.

Von A nach B bringen

«Unser Job? Auf den Punkt gebracht bedeutet es, Menschen auf dem Inselareal von A nach B zu bringen», sagt Mark Muff. Er arbeitet im 30-köpfigen Team Patiententransport. Dazu gehört auch eine Zentrale. Wie bei einem Taxiunternehmen nimmt diese die Aufträge entgegen und gibt sie an freie Fahrerinnen und Fahrer weiter. Diese quittieren auf ihrem Smartphone, wenn sie einen Auftrag annehmen.

Fahrdienst bedeutet in erster Linie kräftige Oberarme, viel Fussmarsch und häufiges Liftfahren. Orientierungssinn, Pünktlichkeit und Verlässlichkeit sind Voraussetzung. Die täglichen Strecken sind an sich schon anspruchsvoll. Dazu kommt noch etwas Anderes: «Empathische Eigenschaft» nennt er es. Für ihn ist das der Kern seiner Arbeit.

«Ich bin einen Moment lang für die Patient:innen da, als neutrale Person. Ich höre ihnen zu, suche das Gespräch, versuche, sie zu beruhigen und ihnen ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Ja, ich bin einer, der auf der Fahrt spricht.»

Verletzliche Lebenssituationen

08:05 Uhr.

Die Patientin und Mark Muff warten auf den Lift, in dem das Spitalbett Platz finden wird. Wohin es gehe, möchte sie wissen, und was mit ihr geschehen werde. Ob sie danach in ihr Zimmer zurückkehre?

Wer im Spitalbett liegt, befindet sich in einer besonders verletzlichen Lebenssituation. Manche sind hilflos, andere fühlen sich ausgeliefert oder haben Angst. Mark Muff versucht, alles zu beantworten. Was die Patientin am Zielort erwartet, kann er ihr umreissen, ohne ihre Krankengeschichte zu kennen. Er weiss ja, welche Station und welche Fachpersonen auf die Ankunft der Patientin warten.

Es herrscht Verkehr

Das Inselspital ist riesig. Von einem Ende des Areals zum anderen sind es 600 Meter, das sind also fünf bis zehn Minuten Fussmarsch pro Richtung. Für längere Strecken setzt sich Mark Muff daher ans Steuer eines Elektromobils. Alle Gebäude sind unterirdisch durch Tunnel miteinander verbunden, so dass niemand Eisregen, Sturm oder Sommerhitze ausgesetzt ist. Man tut gut daran, sich an die Verkehrsregeln zu halten, in den Tunnel herrscht Verkehr, Ärztekittel flattern auf Velos, Abfallcontainer-Züge rumpeln, Seelsorger flitzen auf Kickboards. Darüber knallt die Rohrpost, und die Lüftung rauscht.

«Ich habe mit allen möglichen Fällen zu tun», sagt Mark Muff, «mit allen, die ins Universitätsspitalspital kommen und nicht selber gehen können.» An einem normalen Tag transportiert er 30 bis 45 Patient:innen, junge und alte, hellwache und bewusstlose, verletzte und kranke, verwirrte und strafgefangene. Oft werden sie begleitet, manchmal vom ärztlichen oder pflegerischen Personal, manchmal von Angehörigen, manchmal von Sicherheitspersonal.

Er bringt sie zur Operation, zur Untersuchung, zur Entbindung, von der Notaufnahme in ein normales Zimmer oder nach der Entlassung hinaus zum Taxistand. «Ich behandle sie alle gleich wertschätzend und respektvoll. Ich sieze zum Beispiel alle. Natürlich geht das Gespräch auch mal ins Du über, wenn persönliche Schicksale zur Sprache kommen.»

Was häufig vorkommt.

Besonders prägend sind die Begegnungen mit Verzweifelten, mit Menschen, die keinen Ausweg mehr sehen. «Bitte lass mich gehen, ich will nicht mehr leben. Schmeiss mich irgendwo über eine Brüstung!», wurde Mark Muff zum Beispiel schon gebeten, was er natürlich verneinte. Bei anderen Patient:innen ahnt er, dass er sie wohl auf ihrer letzten Fahrt im Leben begleiten wird.

Am Ziel

Aber er erlebt auch das Gegenteil. Vor einigen Wochen erhielt er den Auftrag, eine frischgebackene Mutter zu ihrer Familie zu fahren. «Sie wurde so herzlich und liebevoll von ihren Kindern und ihrem Partner mit Blumen und Umarmungen begrüsst – das hat mich sehr berührt.»

08:10 Uhr.

Mark Muff ist mit der Patientin am Ziel angekommen. Er verabschiedet sich: «Viel Glück, und ich wünsche Ihnen alles Gute.»

Zur Person

Mark Muff (47) arbeitete bis zu seinem 23. Lebensjahr als Koch, danach als Lagerist, Messeverantwortlicher und später als Silomeister in der Zuckerfabrik Aarberg. Zuletzt verkaufte er als Marktfahrer Fleischprodukte auf Wochenmärkten. Nebenberuflich war er während acht Jahren Feuerwehrmann im Notfallpikett. Seit 2022 arbeitet er am Inselspital als Patiententransporteur. Der Berner ist Vater eines sechsjährigen Sohnes und wohnt mit seiner Partnerin und deren vierjähriger Tochter in Bätterkinden.

(Text: Peter Rüegg)

 

University Cancer Center Inselspital (UCI)

UCI – Das Tumorzentrum Bern ist ein führendes Schweizer Zentrum für die Diagnose und Behandlung von Krebs. Patientinnen und Patienten mit einer Krebserkrankung finden am Tumorzentrum Bern ein breites Angebot von individuell zugeschnittenen Therapieansätzen. In zwölf Organzentren werden sie von hochspezialisierten Teams betreut.www.tumorzentrum.insel.ch