19. Juli 2023

Koordinieren und Planen

Gute Wissenschaft geht nur mit guten Forschungsdaten. Robin Rufer arbeitet in einem Team von Study Nurses und Studienkoordinator:innen in der Klinischen Forschungseinheit der Medizinischen Onkologie. Sie betreuen nationale und internationale klinische Studien. Sein Job: hochwertige Datenqualität liefern und Studien gemäss Protokoll und Richtlinien durchführen. Wie macht er das?

Auf der zweiten Etage von «Haus 2» geht es lebendig zu und her. Einige Mitarbeitende sitzen konzentriert am Schreibtisch. Andere haben gerade Besprechungen oder nehmen Pakete entgegen.

Klinische Forschung unterstützen

Robin Rufer hat vor einem Jahr begonnen. Das Büro teilt er sich mit zwei Kolleginnen. Überall Merkzettel, Terminerinnerungen, Notizen, Fotos, Memos, Tabellen. Auf dem Schreibtisch bleiben schmale Flächen frei. Über dem Kopf türmen sich Regale, die mit Ordnern beladen sind.

Robin Rufer ist gelernter Pflegefachmann, «wie alle bei uns», sagt er. «Wir vom Team der Klinischen Forschungseinheit unterstützen und koordinieren die klinische Forschung. Wir ermöglichen Patientinnen und Patienten des Inselspitals, an Studien mit neuen Medikamenten teilzunehmen.»

Jedes neue Medikament, das sie testen, könnte eine Krebsbehandlung verändern. Hier wird Hoffnung getestet. Hoffnung auf weniger Nebenwirkungen, auf bessere Verträglichkeit. Auf eine schonendere Behandlung. Auf lebensverlängernde Wirkung oder gar Heilung.

Das Vertragliche zuerst

Die Vorbereitung einer Studie dauere sechs bis zwölf Monate, manchmal sogar länger, sagt Robin Rufer. Ausgangspunkt ist eine Anfrage aus der pharmazeutischen Industrie oder von Studiengruppen. Manchmal fragen auch Forschungsgruppen der Universität selbst an.

Dann klärt ein Aktivierungsteam in der Klinischen Forschungseinheit Fragen zum Budget, zu den Ressourcen oder zum Studienprotokoll. Letzteres beschreibt das Forschungsvorhaben und legt genau fest, wie viele Patient:innen benötigt werden, wer teilnehmen darf und wer nicht. Es definiert, nach welchem Schema eine Behandlung abläuft und was das Ziel der Studie ist.

Ist alles Vertragliche geregelt, kommt Robin Rufer ins Spiel.

Einschluss und Ausschluss

Zunächst braucht er Patient:innen, die nicht nur mitmachen wollen, sondern auch die Voraussetzungen zur Studienteilnahme erfüllen. Manchmal gibt es wenige Einschluss- und Ausschlusskriterien, jemand muss zum Beispiel nur ein bestimmtes Alter oder eine bestimmte Nierenfunktion haben.

Öfter aber ist es eine grössere Anzahl dieser Kriterien, die nicht selten sehr spezifisch sind. Eine klinische Studie sucht zum Beispiel gezielt nach einem ganz bestimmten molekulargenetischen Merkmal im Erbgut von Krebszellen. Wer das Merkmal aufweist, kann an der Studie teilnehmen.

Robin Rufer ist dabei, wenn die Patient:innen über die Studie aufgeklärt werden und die schriftliche Einwilligung abgeben. Er vereinbart Termine für die Voruntersuchungen, für die verschiedenen Verabreichungen und die Nachkontrollen. Er muss die Studien-Medikamente, die in der Schweiz oft noch nicht zugelassen sind, «versorgen». Dies bedeutet: annehmen, lagern, Bestand und Temperatur kontrollieren und alles dokumentieren.

Verantwortung

Zudem erstellt er anhand des Studienprotokolls spezielle Überwachungsblätter, damit Studiendaten korrekt erfasst werden können. Die Koordination der Studien plant er im ambulanten und im stationären Bereich, zusammen mit den jeweiligen Pflegeexpert:innen.

Für die Studientherapie muss ein Behandlungsraum reserviert werden. Die entsprechende Ausrüstung muss bereitstehen, alle Fachpersonen müssen entsprechend angeleitet werden.

Robin Rufer ist selbst ein wenig erstaunt über die lange Liste seiner Aufgaben. «Ich muss an so viele Dinge denken, so viel im Kopf behalten», sagt er, «es ist komplex, alles so zu timen und zu koordinieren, dass die Patienten schlussendlich das Studienmedikament erhalten.» Schliesslich laste eine Verantwortung auf seinen Schultern.

Auch Handarbeit gehört dazu. «Vor ein paar Tagen war ich gerade dabei, eine Blutprobe zu zentrifugieren, als es klingelte. Ein Kurier stand vor der Tür, etwas zu früh, er musste warten. Als ich fertig war, nahm er das Röhrchen und brachte es in ein Labor nach Holland.»

Fasziniert von der Onkologie

Das Gebiet der Onkologie hat Robin Rufer schon immer fasziniert. «Ich mag die Komplexität und die Diversität. Es gibt so viele Arten von Krebs und so viele Therapien! Freude und Trauer, Leben und Tod liegen eng beieinander. Und dann der rasante Fortschritt: Viele Krebserkrankungen sind heute so gut behandelbar, dass sie eher zu den chronischen Krankheiten zählen.»

Als Study Nurse kann er an Phase-1-Studien mitarbeiten. Das ist sehr frühe klinische Forschung, bei der es in erster Linie darum geht, die optimale Dosis zu finden. In der Krebstherapie nehmen Patientinnen und Patienten an Phase-1-Studien teil, für die eine neue Behandlungsmethode eine Chance bietet. Es besteht die Hoffnung, dass sie davon profitieren können.

«Heute Morgen habe ich einen Infusionsbeutel bekommen und in die Hand genommen. An sich nichts Besonderes. Es war eine unscheinbare, weissliche Flüssigkeit. Das Aufregende für mich war: Damit wird nun der erste Mensch weltweit behandelt!»

Konzentriert Daten eingeben

Gute Wissenschaft geht nur mit guten Forschungsdaten. Das ist Robin Rufers Job: hochwertige Datenqualität zu liefern. «Eine Studie läuft dann gut, wenn wir gute Arbeit leisten. Je besser die Daten, desto besser ist deren Auswertung möglich», sagt er. Die Daten müssen also sauber aufgenommen, exakt und vollständig dokumentiert werden, genau nach dem Schema, das im Studienprotokoll festgelegt ist. Die Qualität wird von externen Mitarbeitenden überprüft, bevor die Daten an die Forschenden zur Analyse übermittelt werden.

Was er an seiner Arbeit am meisten schätzt?
Dass er hinter die Dinge schauen könne, sagt Robin Rufer. Früher sei er als Pflegefachmann sehr nahe bei seinen Patientinnen und Patienten gewesen. Heute sehe er auch, was nach einer Behandlung passiere.

«Dieses Jahr durfte ich an einer Wirksamkeitsstudie für ein neues Medikament mitarbeiten. Ein Patient mit aggressivem Lungenkrebs hat als erster in der Schweiz daran teilgenommen. Und siehe da, ich konnte miterleben, wie es ihm dank der Behandlung besser ging.»

(Text: Peter Rüegg)

University Cancer Center Inselspital (UCI)

UCI – Das Tumorzentrum Bern ist ein führendes Schweizer Zentrum für die Diagnose und Behandlung von Krebs. Patientinnen und Patienten mit einer Krebserkrankung finden am Tumorzentrum Bern ein breites Angebot von individuell zugeschnittenen Therapieansätzen. In zwölf Organzentren werden sie von hochspezialisierten Teams betreut.www.tumorzentrum.insel.ch