10.6.2021

Dario Terribilini: Ein Physiker in der Klinik

Bei Strahlentherapien werden gut- und bösartige Tumoren mit verschiedenen Strahlenarten behandelt. Der Medizinphysiker Dario Terribilini berechnet, wie eine Strahlendosis Tumoren trifft und gesundes Gewebe schont. Er gibt einen kurzen Einblick in die technische Seite der Krebsbehandlung.

Als wir Dario Terribilini zum Gespräch treffen, herrscht Pandemie, unser Treffpunkt ist im Videochat. «Ich bin gerade in Messungen an neuen Geräten», sagt er. Seit einigen Wochen ist er mit seinem Team jeden Tag sieben bis acht Stunden damit beschäftigt, neue Bestrahlungsgeräte auf ihre Inbetriebnahme im Juli vorzubereiten, sie sozusagen zu kalibrieren.

Planung von Bestrahlungen

Dario Terribilini ist einer von mehreren Medizinphysikern an der Universitätsklinik für Radio-Onkologie. In der dortigen Abteilung für Medizinische Strahlenphysik ist er unter anderem verantwortlich für die computergestützte Planung von Bestrahlungen.

Diese Abteilung mit etwa 35 Personen verteilt sich auf Standorte in Bern, Biel, Solothurn und Thun – sie alle sind Fachleute für die technische Seite der Strahlenbehandlung. Darunter hat es Medizintechniker für die Gerätebetreuung, Informatiker für die Datenverarbeitung und -Übertragung, Planungstechniker für komplexe Bestrahlungspläne und schliesslich wissenschaftliche Mitarbeitende und Studierende in der Strahlenforschung.

Gesundes Gewebe schonen

Wenn es darum geht, wer eine Therapie für eine Patientin oder einen Patienten festlegt, sind die Rollen eindeutig. Dario Terribilini umschreibt es so:

«Man kann sich eine Bestrahlung als Medikament vorstellen. Die Ärzte beurteilen, welches Medikament für Patientinnen und Patienten am geeignetsten ist, und verordnen dieses. Die Medizinphysiker stellen daraufhin das gewünschte Medikament her und verabreichen es wie vorgesehen.»

Während also die Ärztin oder der Arzt bestimmt, welche Bestrahlung wie oft und in welcher Dosis einzusetzen ist, berechnet die Medizinphysikerin oder der Medizinphysiker grob gesagt, wie und aus welchen Richtungen auf einen Tumor eingestrahlt werden kann. Sie oder er legt fest, welches Gerät zum Einsatz kommt, wie Patienten am besten gelagert werden, wie viel Energie ein Strahl hat, wie dieser geformt ist und wie er dann ausgerichtet wird.

Sie oder er bestimmt auch, wie gesundes Gewebe abgeschirmt wird. Denn jede Bestrahlung ist immer eine Abwägung zwischen dem Nutzen und dem Risiko: Einerseits soll das gesunde Organ, das direkt neben einem Tumor liegt, möglichst gut geschützt oder geschont werden. Andererseits soll die volle Dosis eines Strahls auf den Tumor einwirken.

Zusammenarbeit

Medizinphysikerinnen und Medizinphysiker arbeiten eng mit Ärztinnen und Ärzten und mit Radiologiefachpersonen zusammen. Letztere kümmern sich persönlich um ihre Patientinnen und Patienten und sind ihnen wichtige Ansprechpersonen während einer Strahlentherapie.

Diese enge Zusammenarbeit ist für Dario Terribilini das Spannende an seiner Tätigkeit: «Wir müssen jeweils sehr viel von der Arbeit der Anderen verstehen und voneinander lernen. Wir tauschen uns untereinander intensiv aus, gerade bei komplexen Fällen, wenn wir die beste Lösung suchen.»

Zur Person

Dario Terribilini (49) stammt aus Gordola bei Locarno. Um studieren zu können, verliess er wie manche Tessiner den Kanton und gelangte mit 19 Jahren an die ETH Zürich. Dort entschied er sich noch während des Physikstudiums für den Schwerpunkt Medizinphysik. Am Genfer CERN legte er seine Diplomarbeit ab, an der Universität Bern seine Doktorarbeit. Nach einigen Stationen in der Industrie und einem Nachdiplomstudium in Medizinphysik begann er 2005 beim Inselspital Bern.Dario Terribilini wohnt in Biel, ist Vater zweier Kinder, spielt in seiner Freizeit Fussball – bei den Senioren des FC Aurore – oder sucht den Motorradspass auf seiner gelben Ducati.

(Text: Peter Rüegg)

Warum bestrahlt man?

Tumorzellen vermehren sich unkontrolliert und schnell. Weil sie so schnell wachsen, reagieren sie viel empfindlicher auf Strahlung als gesunde Zellen. Die Bestrahlung behindert die weitere Teilung der Tumorzellen und verhindert damit das Tumorwachstum.
Die Strahlung dringt in gleicher Weise sowohl in gesunde Zellen als auch in Tumorzellen ein. Gesunde Zellen haben aber die Fähigkeit, sich zu erholen. Deshalb wird eine Strahlentherapie meist auf viele Sitzungen oder Fraktionen verteilt, so dass die gesunden Zellen sich zwischen den einzelnen Bestrahlungen regenerieren können.

University Cancer Center Inselspital (UCI)

UCI – Das Tumorzentrum Bern ist ein führendes Schweizer Zentrum für die Diagnose und Behandlung von Krebs. Patientinnen und Patienten mit einer Krebserkrankung finden am Tumorzentrum Bern ein breites Angebot von individuell zugeschnittenen Therapieansätzen. In zwölf Organzentren werden sie von hochspezialisierten Teams betreut.

www.tumorzentrum.insel.ch